In den letzten Wochen sind ja neue Versionen von capella und Forte erschienen und bei beiden habe ich das Gefühl, das beides Notenschreibprogramme sind, die einen korrekten Satz nur sehr aufwendig oder gar nicht ermöglichen können vielleicht auch gar nicht wollen. Es sind Programme für Chorleiter und Leiter von Amateurensembles, die vorhandenes Material transponieren oder eine Stimme ergänzen wollen. Die froh sind, dass man aus dem Notentext schnell eine Übe-MP3-Datei erstellen kann und denen es egal ist, ob da ein Hals in die falsche Richtung zeigt, ein Bindebogen irgendwo schwebt, komplizierte Notationen nicht möglich sind oder die Noten jetzt etwas enger oder weiter stehen.
Auf der anderen Seite die „echten“ Notensatzprogramme (Finale, Sibelius, Dorico, ...), die Verlagen ermöglichen, einen perfekten Satz zu erstellen, die automatisch versuchen, die Regeln des Notenstichs möglichst getreu umzusetzen, komplizierte Notationen der Neuen Musik ermöglichen und große Arbeitserleichterungen beim Erstellen von Stimmenauszügen bieten. (Gleichzeitig werden die Möglichkeiten der Notenschreibprogramme wie Scannen oder Audio-Ausgabe implementiert, so dass riesige - und teure - Programmpakete entstehen.)
Sehe nur ich das so? Wie würdet Ihr andere Programme einordnen?
Dr. T's Copyist (1991), capella (1992 bis 2000) Sibelius (aktuelle Version, seit 2000), MuseScore 4 (gelegentlich), Windows 10 (64 bit)
Dazu zwei Überlegungen, wobei ich mich nur auf Capella beziehe:
zum einen ist die Eigenwerbung von Capella die der Notenschreibmaschine und ich glaube das trifft es auch ganz gut. Ein Hauptmerkmal von Capella (ich nehme da mal die Version 7.1 aber es dürfte sich nicht verändert haben) ist die Aufteilung der Note in einem Notenlayoutblatt ohne automatische Zuordnung der Taktlänge. Dies geschieht in der ersten Linie durch den Randausgleich. Damit sind aber bereits (will man nicht die jedenfalls im Nachhinein umständliche Funktion Tempo festlegen (STRG+F bemühen) Layoutprobleme vorprogrammiert, jedenfalls was die gleichmäßige Verteilung nach Notenwerten anbelangt. Auch erkennt das Programm bekanntermaßen nicht automatisch Kollisionen zwischen Triolenklammern, Bindebögen und Liedtext, da muss man dann händisch nach Kompromissen suchen.
Andererseits, dieser letzte Nachteil kann auch wieder ein kleiner Vorteil sein, wenn ich nämlich den Bindebogen selbst festlegen möchte, geht das relativ intuitiv wie bei einem Zeichenprogramm. Das entspricht natürlich nicht dem Erfordernis nach Standardisierung bzw. Gleichbehandlung für den Notensatz, aber eine Festlegung kann ich dort treffen.
Für mich, der ich (vorwiegend) Chormusik selbst komponiere und dabei auch gern mal direkt in Capella arbeite, ist der vermeintlich geringe Funktionsumfang oder die vorgenannten Abstriche gegenüber den "echten" Programmen eher gut, weil leichter zu bedienen, weswegen mir auch die neue unaufgeräumte Version nicht so gut gefällt, aber das ist etwas anderes. Dass ich das Ergebnis dann ggf. nochmals in einem anderen Programm "schöner" oder "richtiger" notieren kann, vernachlässige ich dann fürs erste bis ich das Stück wirklich editieren möchte.
Das ist alles in allem also kein Widerspruch, ich wollte damit nur sagen, dass man auch mit Capella nicht nur abtippen, sondern auch eine eigene Idee entwickeln und darstellen kann, klar da liegt dann auch eine gewisse Genügsamkeit drin und ich kann nicht alles machen. aber klar, es bleibt ein Schreibprogramm.
Übrigens ist es die Audio-Ausgabe, woran Capella zuletzt gearbeitet hat.